Lila Space Creations ...abtauchen in andere Welten

Author: Jörg Birkhold
Date: Mar 20, 1999

Eine Party soll ein Platz außerhalb des normalen Alltags sein, ein autonomer Bereich mit eigenen Gesetzen und eigenem Space.

Dem Wahlberliner "Lila Lutz" kreiert solche Partylandschaften bereits seit einigen Jahren und er meint, das der Anspruch der Partypeople eigentlich mal ein bißchen steigen sollte, denn einfach nur bunte Bilder, Buddhas und sonstige Objekte sind dem Spacecreator zu konzeptlos...

Lila Spacecreations (Berlin, germany - mar 20, 1999) ...abtauchen in andere Welten.

Interview by Jörg Birkhold Photos by Lila Spacecreations
(taken from mushroom magazine #46 / july 1998)

Pilz: Lebst du schon lange in Berlin?

Lutz: Aufgewachsen bin ich in Südafrika, und habe Maschinenbau studiert. Südafrika musste ich dann nach dem Studium schlagartig verlassen, weil ich keine Lust auf zwei Jahre Wehrdienst hatte. So bin ich vor gut elf Jahren nach Berlin gekommen. Inzwischen habe ich so eine Art Hassliebe zu Berlin, aber es ist der einzige Ort, wo ich hier in Deutschland leben kann.

Pilz: Wie bist du dazu gekommen, Räume für Clubs und Parties zu gestalten?

Lutz: Das war eher zufällig. Nach einer anfänglichen Oddysee als Techniker durch mehrere seriöse Büros zog es mich immer mehr in die Berliner alternative Szene. Ich habe schon länger Bilder in Öl und anderenTechniken gemalt. 1991 habe ich dann mit einem Freund aus Südafrika (Rainer Remake) bei der EAS-Ausstellung unter´m Berliner Fernsehturm mitgemischt. Unser Vorhaben war es, dort einen surrealistischen Raum aus Bildern, Licht und Skulpturen mit Monitorköpfen zu kreiren. Wir brauchten noch Sounds zu dieser Installation und zufällig fanden sich Peter Pan und Digital Joy, die den Raum mit Ambientsounds bespielten, während die Besucher durch den Raum krochen. Das war das erste mal, dass ich diese Musik hörte. Die Ausstellung hat bei uns allen ziemlich reingeknallt und seitdem versuchen wir dieses Ereignis zu wiederholen, doch der erste Turn bleibt halt der Beste. Naja, Leute aus der Technoszene haben diesen Raum miterlebt und die Bookings fingen an....

Pilz: Wie kamst Du dann dazu, mit Projektionen zu arbeiten?

Lutz: Wir haben 92/93 schon eigene Parties im Eimer oder der Praxis Mc Coy gemacht. Damals habe ich nur mit Bildern gearbeitet bis ich Scudi Optics kennenlernte und ihn zu einer unserer Parties einlud. Er hat mit Dias gearbeitet. Anfangs war ich dem gegenüber etwas voreingenommen, denn kopierte Dias beleidigten mein Kunstverständnis; es war mir zu einfach. Doch nach und nach fing ich an, damit zu experimentieren und habe das Medium zu schätzen gelernt. Allerdings nur mit selbst gemalten Dias. Die Jobs wurden grösser, die Bilder wurden geklaut, und die Diaprojektoren vermehrten sich. Doch im Endeffekt ist Scudi an allem schuld.

Pilz: Mit welchen Deko-Themen beschäftigst du dich auf Techno- und Trance-Parties?

Lutz: Gerade dort kommt es mir auf das Thema fast gar nicht an. Schlecht gemalte Buddhas, Delphine etc. finde ich eher kitschig und ohne Anspruch. Schade, dass zu wenig Dekoratöre eigene Sachen oder Techniken entwickeln. Dadurch ist die Dekoration oft nur bunt und schlecht! Und schade, dass das keinen stört! Das Thema ist bei mir fast immer der Raum selber, den ich als dreidimensionales Bild betrachte. Arbeiten tue ich dann mit Proportionen, Form und Farbe und achte darauf, wie die Architektur des Raumes geschaffen ist und was sie hergibt. Gutes wird betont, schlechtes verfremdet, Ecken gerundet usw. Ausserdem wird bei mir oftmals der Raum gebrochen und mit jedem Stück setze ich mich dann auseinander. Das geschieht fast immer vor Ort nach Skizzen und ist eine sehr aufreibende Arbeit, zumal immer unter Zeitdruck gearbeitet wird. Der Raum ist fertig, wenn ich total fertig bin. Meistens sitze ich dann ziemlich ausgepowert in der Ecke und wenn die Party anfängt, bin ich noch so in meine Gedanken vertieft, dass ich gar nicht ansprechbar bin.

Pilz: Was möchtest du mit deinen Spacecreations rüberbringen?

Lutz: Bei mir steht entweder die Ästhetik im Vordergrund oder das bewusste Gegenteil. Weniger kann mehr sein, zuviel ist zuviel! Bei Parties versuche ich, den Raum auszubalancieren, denn ein gut ausbalancierter Raum hat einen positiven Einfluss aufs Gemüt. So soll bei mir auf Parties eigentlich gar keine Message rübergebracht werden sondern ein Gefühl; wie bei der Musik selber, da sagt auch keiner, wie Du zu denken hast. Wenn ich nach einer Message suche, dann gehe ich ins Theater und nicht auf eine Party! Auf´s Feeling kommt es an, und in einer Kirche bekommst du ein anderes Gefühl ab, wie in einer kleinen Bude. Daher ist es mir natürlich am liebsten, wenn ich die gesamte Raumkonzeption übernehme. Sprich: wo steht der DJ, wo die Bar, was an Deko, was an Licht und wie wird's gefahrn.

Pilz: Lebst du von deiner Arbeit?

Lutz: Im eigentlichen ja, teils sogar recht gut. Doch man powert sich recht schnell aus, wenn man nur auf Parties oder in Clubs unterwegs ist. Das ist auch nicht, was ich will und schadet dem kreativen Geist, zumal man sich ja nicht immer unter Kontrolle hat und den Mund zu weit aufmacht oder einem die Nase auf den Tisch fällt. Dabei sei gleich noch erwähnt, dass ich das Ganze fast nie alleine mache, sondern von zuverlässigen Freunden unterstützt werde. Der Kasi z.B. ist seit vier Jahren schon eng dabei und ist eigentlich schon das "LA" bei "LILA" geworden. Denn wir haben schon so manchen Scheiss zusammen durchgemacht. Vom geplatzten Motor nachts um zwei über Knast und sonstigen verpeilten Aktionen. Die sind nicht immer billig aber gehören irgendwie dazu. Dann sind da noch die ganzen anderen zuverlässigen Helfer, die ich gerne bezahle, fürs Material, Transport etc. Da muss man schon sehen was übrigbleibt, für eine professionelle Weiterentwicklung reicht es jedenfalls nicht. Den jeweiligen Veranstaltern ist dies oft nicht bewusst. Irgendwann geht das Licht aus, der Veranstalter stöhnt "Oh schön", klopft dir auf die Schulter, aber weiss nicht, was dahinter steckt; wundert sich höchstens, dass wir nicht energiegeladen grinsen und fragt womöglich noch, ob du scheisse drauf bist. Dann geht seine mittelmässige Party los und floppt womöglich noch. Zu oft sind wir aus einem Laden rausgegangen mit dem Gedanken "Perlen vor die Säue". Das hat uns veranlasst, nur noch einen gut ausgewählten Job alle zwei Wochen anzunehmen und dafür ein bisschen mehr Luft zu lassen für unsere eigenen Projekte. Qualität statt Quantität!

Pilz: Was machst du neben deinen Raumgestaltungen?

Lutz: Es lebe das Leben und das Leben verbraucht manchmal ganz schön viel Zeit. Dazwischen haben wir immer, wenn uns so ein komisches Gefühl den Nacken hochkroch, eigene, qualitativ hochwertige Parties veranstaltet. Die Kombination von Licht, Raumgestaltung, Live-Videoanimation und Tanz-Performance nebst Musik versuchen wir schon seit 1992 zu einem ganzen zu verschmelzen, um so ein neues Medium entstehen zu lassen. Seit ca. zwei Jahren unter dem Namen Terra-p. Ausserdem liegen wir manchmal auch nur onanierend zuhause rum, mussten aber feststellen, dass man damit kein Geld verdienen kann.

Pilz: Auf was für Musik fährst du persönlich ab?

Lutz: Abgefahren bin ich schon auf alles mögliche, mit den Beatles angefangen, ich kannte mal fast alle Lieder auswendig. Rock, Blues, Psychedelic Music, Reggae, Heavy Metal, Punk, Independent. Bei jeder Musik hatte ich meine schönen Momente, manches blieb hängen und das höre ich mir immer noch an. Wenn´s um elektronische Musik geht, dann schönen dreckigen Trance, der fetzt oder Hardhouse. Die Hauptsache ist der Groove; man muss darauf tanzen können. Nur Goa-Geblubber ist mir auf Dauer zu langweilig. Ausserdem bin ich eher ein Indoor-Freak, das trifft auch auf meine raumgestalterischen Fähigkeiten zu.

Pilz: Erzähl uns abschließend doch noch kurz etwas über deine aktuellen Projekte.

Lutz: Ein Projekt bin ich selber. Is ´n scheiß Job... Dann ist da noch die "Mary in Trance"-Party zur Love-Parade auf dem Pfefferberg. Ich hoffe mal, Mary kommt überhaupt. Seit vier Jahren veranstalten wir dort schon zur Loveparade und es ist trotz der ganzen Kommerzialisierung immer noch ein aufregendes Gefühl.

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